Hochwasser 2002 - Ein ausführlicher Bericht

Sonntag (11.August): Am 11. August war die Welt im Loschwitzer Hafen noch in Ordnung. Der Wasserstand der Elbe war zwar in den letzten Tagen schnell angestiegen, aber nichts schien bedrohlich. Das Jugendtraining am Freitag hatte bei reichlich 3 m Wasserstand wie gewohnt mit Kutter und Opti auf der Elbe stattgefunden und auch die Erwachsenen waren gegen 20 Uhr mit dem Kutter bis Wachwitz unterwegs. Doch das Wasser stieg am Wochenende weiter mit 10 cm pro Stunde, so dass auch geplante Segelveranstaltungen (Sommerlochfahrt des SCW) abgesagt werden mussten. Schon am frühen Nachmittag des Sonntag erreichte die Elbe in Dresden einen Pegel von 5,00 m, so dass die Schifffahrt eingestellt wurde. Am Sonntag mussten einige notwendig gewordene Aufräumungsarbeiten im Club durchgeführt werden. Mittags stand der Pegel bei 5,58 m und gegen Nachmittag fing das Wasser an zu fallen. Also galt das Hochwasser als normal, es gab nichts Beunruhigendes. Im Laufe des Tages wurde von Niederschlägen im Erzgebirge und Tschechien gesprochen und in der Nacht zum Montag setzte dann auch in Dresden starker Dauerregen ein. Das Wasser der Elbe war in Dresden weiter gefallen.

Montag (12.08.): Am Vormittag stieg der Pegel der Elbe erneut. Es goss außerdem in Strömen, und das stundenlang, den ganzen Tag. Am Nachmittag wurde im Verein zum ersten Hochwassereinsatz gerufen, Holz wurde umgestapelt, Steganlage und Boote kontrolliert. Das Landesamt für Umwelt und Geologie  prognostizierte für Dienstag 7.00 Uhr einen Elbpegel von ca. 6,0 m. Am späten Abend wurde die Voraussage jedoch auf 7,0 m verändert. Das war der Pegel bei dem im WDL die Alarmglocken klangen. Also gab es gegen 23.00 Uhr erneut einen Hochwassereinsatz. Nun wurden Boote umgelagert, der Container mit der Jugendbootsausrüstung beräumt und weiter Holz umgestapelt. In den Gebäuden wurden alle Ausrüstungsgegenstände auf die Tische gestellt. Gegen 2.00 Uhr verabredete man sich für den Morgen 6.00 Uhr.

Dienstag (13.08.): Das Wasser stand schon bis zur Slipbahn, deshalb wurde bis 9.00 Uhr weiter geräumt. Eine gewisse Unruhe war allen anzumerken. Denn während es in Loschwitz an der Elbe noch relativ "friedlich" aussah hatte die einige Kilometer weiter stromab in die Elbe mündende Weißeritz große Teile der Innenstadt von Dresden unter Wasser gesetzt, das Telefon- und Funknetz drohte zusammenzubrechen, Server und Internet fielen aus, und von den Medien eine Horrormeldung von kommenden Flutwellen und utopisch klingenden Pegelständen nach der anderen. Von jeglicher sachlichen Information abgeschnitten war es schwer richtige Entscheidungen über den Fortgang der Evakuierungsarbeiten im Verein zu treffen. Der nächste Einsatz im Hafen erfolgte am Dienstag gegen Mittag, das Wasser stand bereits kurz vor der Garage (Werkstatt und Lagerraum). Am Nachmittag wurden weiter Boote evakuiert, immer noch Holz umgestapelt, Ausrüstungsgegenstände aus dem Hafen weggefahren. Bis in die Nacht kämpften die Mitglieder gegen die Fluten. Am späten Abend stand das Wasser schon bis in die Garage.

Mittwoch (14.08.): In der Nacht zum Mittwoch erreichte das Wasser seinen bisherigen Höchststand von 7,17 m. Während der Pegel im Laufe des Mittwochs ca. 25 cm zurückging wurde noch einmal evakuiert was sich nur fortschaffen ließ, Ausbildungsmaterial, Ausrüstung, Werkzeuge und Maschinen. So konnten alle Opti-, Ixylon- und Kuttersegel und auch die wichtigsten Zubehörteile in eine hochwassersichere Garage ausgelagert werden. Gegen Abend stieg das Wasser wieder. Die neusten Prognosen für den Donnerstag Morgen lagen bei 8,00 - 8,50 m (um 23.00 Uhr auf 7,70 - 7,90 m korrigiert). So montierten die Aktiven in den späten Abendstunden noch eine zusätzliche Hochwassersicherung für die Steganlage des Vereins.

Donnerstag (15.08.): Am Donnerstag früh war das Gelände des Vereins nur noch mit dem Boot erreichbar. Im dem bis auf die Schränke geräumten Clubhaus stand das Wasser schon 15 cm. Der Scheitel der Hochwasserwelle hatte in den Nachstunden das ca. 200 km entfernte Prag in einem bisher nicht gekannten Höchststand passiert. Bis gegen Morgen war das Wasser dort sogar schon 1,3 m gefallen. "Was wird in Dresden noch kommen" war die bange Frage, die hier keiner so richtig beantworten konnte. Die automatischen Pegelansager der Elbe waren schon bei 6,75 m ausgefallen und die Simulationsmodelle der Hochwasservorhersage waren für die nun anstehenden Wassermassen nicht ausgelegt. Nach wie vor waren die Voraussagen des Landesamt für Umwelt und Geologie kaum zu empfangen da die beiden aussagefähigen Telefonnummern ständig besetzt waren und das Internet nur zeitweise funktionierte. Erst im Laufe des Donnerstags begannen die Medien allmählich von ihrer Katastrophenhysterie zu einer sachlichen und hinweisenden Berichterstattung überzugehen. Pegelstände wurden mit Datum, Ort und Uhrzeit durchgesagt und Prognosen für die weitere Entwicklung sachlich korrekt wiedergegeben. Doch für unseren Verein zu spät. Im Hafen war "Land unter". Das Wasser stieg auf über 8 m. Im Hafen trieben Bretter und Balken aus den mehrfach umgeschichteten, wertvollen Holzstapeln. Doch auch hier gaben die Vereinsmitglieder nicht auf. Pausenlos wurden mit dem Dingi Bretter und Balken aufgefischt und auf dem sicher schwimmenden Steg oder dem Dach des Clubgebäudes abgelagert. Die auf dem niedrigeren Garagendach gelagerten Opti’s und guten Holzbalken wurden noch einmal umgelagert, denn das Wasser stieg weiter. Für Schöna an der Deutsch-Tschechischen Grenze wurde der unvorstellbare Pegelstand von 13 Metern angekündigt.

Freitag (16.08.): In Dresden wurde im Laufe des Freitages die 9 m Marke überschritten. Damit stand zumindest am Pegel Dresden das Wasser höher als die bis dahin bekannte Höchstmarke von 8,77 m aus dem Jahre 1845. Im Loschwitzer Hafen spielte sich das Leben inzwischen auf der hochwassersicher gebauten Terrasse des benachbarten MC Elbe ab. Alle verfügbaren Dingis und Beiboote brachten Kommende und Gehende als Fähre vom Hochwasserweg über den inzwischen längst überfluteten Körnerweg zum einzigen noch festen Punkt im Hafen. Im Hafenbecken wurden immer wieder die Boote und Stege kontrolliert und weiter Treibholz eingesammelt. Zum Glück gab es im Hafen keine Strömung, die Elbe floss jedoch mit gut 20 km/h vorbei und richtete in anderen Vereinen dabei großen Schaden an.

Samstag (17.08.): Am Samstagvormittag erreichte das Wasser schließlich seinen Höchststand von 9,40 m (Pegel Dresden an der Augustusbrücke). Das Zentrum von Dresden glich einer Geisterstadt, ohne Strom mit gefluteten Kellern, gesperrten Brücken und vielen evakuierten Stadtteilen erstarb fast jedes Leben in der Metropole. THW, Feuerwehr und viele Hilfskräfte kämpften gemeinsam mit den Dresdner mit Pumpen und Sandsäcken gegen das Wasser. Am Hafen waren das Clubgebäude unseres Vereins bis an die Traufe geflutet, das Garagendach stand 30 cm unter Wasser und auch das Gebäude am Hafentor war ca. 1,6 m geflutet. Die durch Umbaumaßnahmen nicht schwimmfähige Barkasse stand bis kurz unter das Fahrstanddach im Wasser. Beim benachbarten MC Elbe stand das Wasser an der letzten Stufe vor  Terrasse und Clubraum. Garderobe und Sanitäreinrichtungen waren längst in den Fluten verschwunden. Die Hochwassermarke auf dem Körnerweg von 1845 wurde jedoch nicht erreicht. Ca. 15 cm fehlten noch. Ab Sonnabend Mittag begann das Wasser zu fallen, erst ganz langsam mit 2 cm pro Stunde dann immer schneller. Das ablaufende Wasser brachte große Mengen Öl aber auch Holz und Gebäudeteile aus den oberhalb des Hafen liegenden Gärten und dem Pferdehof. Selbst Pferdemist kam nun angetrieben.

Sonntag (19.08.):  Im Laufe des Sonntags fiel das Wasser weiter und gab langsam Stück für Stück zurück. Ein Blick ins Hexenhaus (am Körnerplatz) zeigte, deutlich, welch schwere Aufgaben dem Verein besteht. 

Montag (20.08.): Am Vormittag konnte der, eigentlich auf Land abgelagerte, Reservesteg wieder an seine richtige Stelle "eingeschwommen" werden, gegen Mittag war der Zugang zum völlig aufgeweichten Clubgebäude wieder per Fuß, wenn auch durch eine mehrere Zentimeter dicke Schlammschicht möglich. Der Anblick grauenhaft. Dort wo vor einer halben Woche noch ein intakter Clubraum und eine neu eingerichtete kleine Kombüse stand, war nur Dreck und Schlamm. Alles stank nach Öl und Moder. Noch am Nachmittag begannen wir mit dem Ausräumen der Garage. Werkzeug, Farbbüchsen, Schrauben, Muttern, Tauwerk, Kabel und eben alles, was nicht vorher ausgeräumt wurde, war voll Schlamm. Die ersten Reinigungsversuche erfolgten mit Gießkanne und Wassereimer, später wurde ein Jockel aufgetrieben und Wasser zum Waschen aus dem Hafenbecken gepumpt. Während der Elbpegel weiter fiel, wurden nun die verschlammten Übrigbleibsel aus den Gebäuden geräumt und immer wieder gewaschen und gewaschen.

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Samstag (24.08.): Am Sonnabend fand der erste Großeinsatz statt, nachdem in der Woche zuvor täglich kleinere Einsätze durchgeführt wurden. Mit Feuerwehrspritze, Kärcher und vielen Helfern ging es dem hartnäckigen Dreck an den Kragen. Nach diesem Wochenende war die Garage sauber, das Clubgebäude völlig leer geräumt, alle aufgeweichten Schränke und Unmengen anderer Sperrmüll im Container. Die Fläche vor den Häusern jedoch lag voller Kostbarkeiten. Zubehör, Werkzeug und all dem Kleinkram, den Seesportler und Bootsbauer eben so brauchen und über Jahre zusammengetragen haben.

Die Woche danach: Auch in der Woche 2 nach der Katastrophe ging der Kampf gegen den Schlamm weiter. Wie in der Woche zuvor wurde jeden Tag nach der Schule und Arbeit im Verein gewaschen, geputzt, entsorgt und gereinigt. Ein Ende dieser scheußlichen Arbeit konnte man nicht erkennen. Doch das Chaos wird langsam übersichtlicher.

Samstag (31.08.): Nach dem zweiten Großeinsatz am 31. August ist das Gelände wieder befahrbar, ein Großteil der Materialien und Ausrüstungen gereinigt, getrocknet, konserviert und provisorisch in Zelten untergebracht. Die Feuchtigkeit in der Garage hat sich auf unter 95 % reduziert, so dass einem baldigen Einräumen nichts mehr im Wege steht. 

Einen großen Anteil an den undankbaren Arbeiten hatte die Vereinsjugend. Besonders zu nennen, allen voran unser Sportfreund Fred Kala (14 Jahre), aber auch Robert Guderitz (12) sowie Paul (12) und Sarah (14) Bönisch. Ein besonderer Dank gilt auch den vielen fleißigen Helfern vom Chemnitzer Segel- und Bootsbauverein, vom Seesportclub Bautzen, dem Sächsischen Seesportclub Dresden, dem Segelclub Dresden Wachwitz sowie vielen Eltern und Freunden.

Dresden, den 1. September 2002